FROHES SCHAFFEN Podcast

Der FROHES SCHAFFEN Podcast zur Zukunft der Arbeit. Kommunikation, Führung, Unternehmenskultur. Der Wirtschaftsjournalist Wolfgang Brinkschulte spricht mit Macherinnen und Experten, wie Arbeit auch Spass, Erfolg und Zufriedenheit bringt. Frohes Schaffen eben.

Im Büro der Zukunft findet jeder Mitarbeiter, egal ob er auf dem Sofa arbeiten kann oder seinen eigenen Schreibtisch braucht, seinen idealen Platz.

So sieht der Architekt und Arbeitsweltverbesserer Guido Rottkämper die Funktion des Büros. Er befasst sich seit vielen Jahren mit seiner Firma design2sense in Leipzig auch mit Partizipations- und Kommunikationsaspekten. Im Interview beschreibt er ausführlich seine Sicht auf die Entwicklung und Rolle von Büros nach der Pandemie.

Interview: „Jeder findet im Büro der Zukunft seinen idealen Platz“

Interview mit Guido Rottkämper, Leipziger Architekt und „Arbeitsweltverbesserer“, über das Büro der Zukunft

von Wolfgang Brinkschulte

Guido Rottkämper gehört zu den profilierten Architekten für die Gestaltung von modernen Arbeitsumgebungen. Dabei befasst er sich seit vielen Jahren mit seiner Firma design2sense auch mit Partizipations- und Kommunikationsaspekten. Im Interview beschreibt er ausführlich seine Sicht auf die Entwicklung und Rolle von Büros nach der Pandemie.

WBR: Herr Rottkämper, Deutschland ist ja eine Büronation. Nach einer kürzlich verfassten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln arbeiten bundesweit rund 15 Millionen Menschen in Büros. Es werden immer mehr. Bürohauptstadt ist Frankfurt am Main. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten, die aktuell im Homeoffice arbeiten, verbringen 20 Stunden oder mehr am heimischen Schreibtisch statt im Büro. Es gibt den Wunsch, auch nach der Pandemie  verstärkt im Homeoffice zu arbeiten. Brauchen wir eigentlich noch Büros und wenn ja, müssen wir Büro neu denken?

Guido Rottkämper: Ich bin fest der Überzeugung, dass wir in Zukunft Büros brauchen. Gleichzeitig bin ich ziemlich sicher, dass das Büro seine Funktion verändern wird. Vom Arbeitsort zum Treffpunkt. Unabhängig davon, wie hoch die Homeoffice-Raten sind, allen Firmen ist gemeinsam, die in irgendeiner Weise Homeoffice zulassen, dass man zuhause sehr gut konzentriert arbeiten kann. Aber das Zusammensitzen, das Kollaborieren, das miteinander Diskutieren, das ist live viel besser. Ideen haben, funktioniert live. Wir sind fest der Überzeugung, dass das Büro mehr zum Treffpunkt wird und auch zum Lockmittel, um die Leute, die eigentlich jetzt sich zuhause eingerichtet haben, wieder ins Büro zu locken. 

WBR: Die Arbeitswelt Büro hat ja verschiedene Perspektiven. Räumlich, strukturell, kommunikativ. Wie soll sich Büro denn in Zukunft entwickeln?

Guido Rottkämper: Wir merken, dass viele Firmen, die wir betreuen, die große Sorge haben, dass sich Mitarbeiter zuhause einrichten und nicht mehr ins Büro kommen. Und die Sorge ist ja nicht so sehr der Verlust an Effektivität, sondern der Verlust an kultureller Identität. Also es scheint nach wie vor so zu sein, dass Firmen sagen: Sachen abarbeiten virtuell geht, aber Kultur ist immer noch etwas, was zwischen Menschen stattfindet. Firmen sagen, wir müssen uns zeigen, wir haben einen War of Talent, also der Kampf um die besten Köpfe. Wir müssen kreativer und schneller werden. Und dazu müssen wir zeigen, wie cool wir sind. Auch über unsere Räume, und was wir draufhaben.

Wir merken, dass Firmen sich dessen bewusst sind, dass auch die Anforderungen der Mitarbeiter nichts Statisches sind. Junge Mitarbeiter, neue Talente, die einfach auch nicht acht Stunden im Büro arbeiten wollen, sondern die Work-Life-Integration. Kinder früher von der Schule holen, mit ihnen Zeit verbringen, und abends dann noch mal an den Rechner gehen. Das sind Themen, die lassen sich eben mit einer höheren Flexibilität, was das Homeoffice angeht, wirklich besser bewerkstelligen, als wenn man jeden Tag von Nine-to-Five ins Büro kommt.

WBR: Arbeitsräume als attraktive Orte, wo man gerne hingeht. Wie verändern sich Räume nach der Pandemie?

Guido Rottkämper: Ganz konkret: Wir haben ein großes Unternehmen in Leipzig, da haben wir Anfang 2020 bei einem anstehenden Neubau diskutiert, ob noch jeder seinen eigenen Arbeitsplatz braucht, oder gehen wir in ein Wechselmodell? Die Firma hat ganz klar gesagt: nein, wir bleiben dabei. Wir können unseren Mitarbeitern nicht mehr zumuten. Also, des deutschen Mitarbeiters liebstes Kind ist der eigene Arbeitsplatz. Vier Monate später sagte plötzlich der Betriebsrat, die Mitarbeiter wünschen sich mehr Flexibilität beim Thema Homeoffice. Sie sind dazu bereit, auf ihren persönlichen, eigenen Arbeitsplatz zu verzichten. Da hat sich die Sichtweise wirklich umgekehrt. Die Mitarbeiter haben mitgekriegt, dass an einem Wechselmodell auch eine höhere Flexibilität hängt. Man muss ja immer überlegen, wie viel Homeoffice ist gut für ein Unternehmen, ohne dass der Kultur- oder Identitätsverlust droht.

Wir glauben, dass mehr als ein oder eineinhalb Tage pro Woche die Mitarbeiter sich gar nicht wünschen. Aber selbst diese eineinhalb Tage führen zu der Frage, wie kriegen wir diesen Wechsel überhaupt hin? Sucht sich jeder dann morgens seinen Arbeitsplatz selbst, oder muss man seine Tastatur und seinen Rechner mit nach Hause schleppen? Da gibt es ganz klar Dinge, die sich entwickeln werden. Der persönliche Rollcontainer wird verschwinden. Dafür wird es Fächer geben, wo man seinen Tee, die Gummibärchen und seine Tastatur einschließen kann, bis man dann wieder ins Büro kommt.

Wir haben auch viel mit Ängsten von Mitarbeitern zu tun. Die sagen, ich kann gar nicht zuhause arbeiten. Die Sensibilität zu sagen, für wen ist denn was wann richtig. Da gibt es natürlich Leute, die gar nicht zuhause arbeiten wollen. Dieses genaue Hingucken, was bedarf es für den Einzelnen, und geht das noch mit Regeln. Soll jeder flexibler arbeiten, wie er will? Kulturell wird es komplexer, auch Wechselmodell muss gelernt werden. Und auch im Büro konsequent anders umgesetzt werden, als das, was wir kennen.

WBR: Das flexible Büro kennen wir ja schon seit vielen Jahren. Die großen Tech-Unternehmen sind die Frontrunner gewesen. Ist das eine Entwicklung, die viele Unternehmen, auch klassische Unternehmen, jetzt nachholen, also ist das nichts Besonderes mehr?

Guido Rottkämper: So einfach ist das nicht. Selbst wenn man sich bei den Tech-Unternehmen mal die Diskussionen anschaut. Microsoft zum Beispiel hat immer propagiert, „Work is not a place anymore“, also ich brauche keinen Schreibtisch im Büro, um da zu arbeiten. Die entwickeln natürlich auch Produkte, die Homeoffice fördern, weil man von überall arbeiten kann. Das ist auch ein Stück weit Marketing. Marissa Mayer von Yahoo hat damals komplett dagegen gehalten und gesagt, wenn niemand mehr im Büro ist, dann ist eben auch im Büro kein Leben mehr, und dann verlieren wir unsere Identität.

Zwischen zwei Tech-Riesen ist vor rund zehn Jahren diese Diskussion entbrannt, wie viel Büro braucht es, ohne dass es zum Identitätsverlust führt. Eine Firma ist eben mehr als nur arbeiten, sondern das ist Kommunikation, das ist sich gut verstehen, aufeinander aufbauen, diskutieren. Das sind alles Sachen, die sich nicht so einfach virtualisieren lassen. Das Gesamtgefüge sich anzugucken, ist etwas, das wir berücksichtigen müssen.

Und auf der anderen Seite stellen selbst große konservative Unternehmen fest, die am Anfang der Pandemie große Befürchtungen hatten, dass deren Umsätze wegbrechen, weil die Leute zuhause nicht mehr gut arbeiten, die mussten sich eines Besseren belehren lassen. Die Arbeitsleistung der Mitarbeiter ist im letzten Jahr deutlich nach oben gegangen, viel geringere Krankheitsraten. Die Mitarbeiter arbeiten auch entgegen aller Befürchtung der Chefs zuhause deutlich länger. Die Selbstausbeutungstendenz der Mitarbeiter ist eher so, dass sie zu viel als zu wenig arbeiten. Das hat super funktioniert. Aber das ist nicht durchgängig so.

Wir haben in den Unternehmen selbst große Unterschiede zwischen einzelnen Abteilungen. In puncto Vertrauen der Chefs zu ihren Mitarbeitern, ob die zuhause gut arbeiten oder nicht. Und da habe ich dieses Wort Vertrauen jetzt in den Mund genommen. Wir merken, dass Homeoffice oder Nicht-Homeoffice eigentlich noch nicht mal ein strukturelles Thema ist, sondern es ist in der Tat ein Führungsthema. Vertraue ich meinen Mitarbeitern, dass die ihre Leistung bringen, ohne dass ich hinter ihnen stehe im Büro oder die Möglichkeit habe, hinter ihnen zu stehen. Da geht es um viel, viel mehr als Arbeitsort. Da geht es quasi um Selbstverständnis, wieviel Eigenständigkeit traue ich meinen Mitarbeitern zu, dass sie ihre Arbeit auch selbst strukturieren können zum Wohle des Unternehmens. Also, es ist ein extrem vielschichtiges Thema, das man nicht monokausal nur am Ort festmachen kann.

WBR: Was hat sich in der Pandemie-Zeit verändert, und was bedeutet das für die Gestaltung des Büros?

Guido Rottkämper: Zunächst, was hat sich grundsätzlich verändert in Unternehmen? Etwas können wir schon an den Telefonanrufen messen, die bei uns im Büro eingehen. Verändert hat sich, dass Firmen und ihre Chefs nicht mehr wissen, wie Zukunft aussieht oder unsicherer geworden sind. Eine der gängigsten Fragen ist, was verändert sich, und wie muss ich reagieren? Dabei ist es ja bei weitem nicht so, dass 100 % der Firmen vorher für flexibles Arbeiten, Homeoffice, gewesen sind. Wir haben erstaunlich viele Firmen, die das Thema Homeoffice bisher total abgelehnt haben. Was sich verändert, ist die Sichtweise, dass Homeoffice auch zu effizientem Arbeiten führen kann. Das hat sich auch bei den Firmen durchgesetzt, die noch relativ hierarchisch aufgestellt sind. Das hat sich definitiv verändert.

Wir haben im letzten halben Jahr kein einziges Unternehmen, das versucht, das auf der Vorstandsetage zu lösen. Fast alle Unternehmen sagen, auch sehr konservative, das sind so komplexe Themen, weil sie auch soziologische Bereiche betreffen, lass uns unsere Mitarbeiter fragen. Lass uns genau die Frage unseren Mitarbeitern stellen, wie wollen die in Zukunft überhaupt arbeiten? Die Sensibilität, Partizipation zuzulassen, die Mitarbeiter in die Frage des zukünftigen Arbeitens zu integrieren und zuhören, das hat sich sehr verändert. Weil die Leute dann gefragt werden, und die nicht homogen sind, wird Büro diverser.

Da kommt mehr Bewegung in verschiedene Kommunikations- und Arbeitsformen. Die einen sagen, ich brauche irgendwie einen ruhigeren Arbeitsplatz, die anderen sagen, es ist okay, wenn ich offen arbeite. Die gesamte Struktur von Büro ist multipler geworden.

WBR: Sie gehören zu den profilierten Architekten für die Gestaltung von Arbeitsumgebungen. Aus räumlicher Sicht, verabschieden wir uns mit der Pandemie vom Großraumbüro?

Guido Rottkämper: Großraumbüro ist ein böses Wort. Wir merken immer wieder, dass wir das eigentlich gar nicht in den Mund nehmen dürfen. Was ist ein Großraumbüro? Großraumbüros, wie wir sie aus den Staaten kennen oder in Metropolen wie Frankfurt? Hier bei uns in Leipzig gibt es die so gut wie gar nicht. Wir stellen fest, dass es eine immanente Grenze gibt, ab der Mitarbeiter ein Büro als Großraumbüro empfinden. Wenn es mehr als 12 bis 14 Leute sind, die man gleichzeitig sieht ohne irgendeine Form von Trennung, dann empfinden das deutsche Arbeitnehmer schon als Großraumbüro. Das Irre ist, dass das seit Jahrhunderten eine Konstante ist.

Das sind nämlich die Zahlen, ab denen sich früher kleine Stämme geteilt haben, weil sie sozusagen interaktiv und intuitiv gut miteinander agieren können. Meine Peergroup, meine Gruppe an Leuten, mit denen ich mich gut verstehe, die ich noch zulasse in meinem direkten Umfeld. So ein Großraumbüro ist auch ein Synonym für: da habe ich keinen Überblick mehr, da fühle ich mich nicht mehr wohl.

Wir müssen sensibler sein für die Größe von Flächen, auch ab wann eine Teilung notwendig ist. Das ist komplexer geworden. Wir merken, dass dieser Wechsel zwischen ich habe eine Tätigkeit, die tue ich, und da bin ich resilienter gegen Störungen, als wenn ich irgendwas habe, was extrem störanfällig ist. Der Wunsch der Mitarbeiter für eine Zeit in Rückzugsbereiche zu gehen und eine Tür zumachen zu können.

Mitarbeiter sind bereit, auf ihre eigene Tür zu verzichten, aber sie wollen Rückzugsbereiche. Ein Hauptwunsch von Arbeitnehmern ist Transparenz und Offenheit, damit wir schneller miteinander kommunizieren. Aber nehmt uns nicht unsere Rückzugsbereiche. Diese Ambivalenz, das ist was, was komplexer wird.

WBR: Nochmal zum Spannungsfeld Einzelbüro versus Großraumbüro. Thema Abstand, Risiken in Pandemiezeiten. Welche Probleme sehen Sie?

Guido Rottkämper: Wir teilen nicht die Annahme, dass Einzelbüros sicherer vor Infektionen sind als große räumliche Strukturen. Firmen, die schon vorher in größeren Gruppenbüros gearbeitet haben, haben es sehr gut hingekriegt, jeden zweiten Arbeitsplatz freizulassen. Ich habe eine viel höhere Flexibilität in der Belegung, wenn ich keine geschlossenen Räume habe. Und die Infektionsquellen in den Firmen sind eben nicht die Arbeitsplätze, weil ich mich da nicht mische, sondern die Infektionsquellen sind Teeküchen, WCs, die Gänge, da, wo ich anderen begegne.

Wenn man genau hinschaut, sind das die Bereiche, wo Warnschilder stehen. Nicht zu zweit in die Teeküche und nicht zu zweit aufs Klo und nicht zu dritt in den Fahrstuhl. Da findet Infektion statt, nicht am Arbeitsplatz. Insofern glaube ich nicht, dass Infektionen viel mit dem Arbeitsplatz zu tun haben. Abgesehen davon, dass die Lösungen, die jetzt kommen, vor allem in der Lüftungstechnik liegen. Viele Lüftungsanlagen werden jetzt aufgepimpt, wie kriegen wir es über eine höhere Luftwechselrate und über eine entsprechende Technologie hin, die Luft zu reinigen. Da ist technologisch innerhalb kürzester Zeit viel passiert. Wir bekommen die größeren Gruppenbüros viel schneller und besser sauber als Einzelbüros.

WBR: Ich will nochmal auf meine Ausgangsfrage zurückkommen. Zum Wechselspiel von Homeoffice und Büro. Das Büro wird nicht mehr so frequentiert, viele Mitarbeiter wünschen sich, mehr mobil zu arbeiten. Sie haben gesagt, eineinhalb bis zwei Tage in der Woche. Was bedeutet das für die Erfordernisse in den Büros?

Guido Rottkämper: Das ist eine komplexe Rechnung, die ich mal versuche, herunter zu brechen. Wir haben in Deutschland zwischen 251 und 255 Arbeitstage im Jahr. Wenn ich die Urlaubstage und die durchschnittlichen Krankheits- und Fortbildungstage abziehe, dann ist das, was übrigbleibt, schon nur noch eine 83 %-Belegung. Also, ohne einen Homeoffice-Tag, einen einzigen Homeoffice-Tag, sind wir im Schnitt irgendwie um die 83 % im Büro. Das ist in allen Unternehmen so. Wenn ich jetzt noch einen Homeoffice-Tag dazu nehme oder eineinhalb Homeoffice-Tage, bin ich sehr schnell bei einer sharing ratio, also Schreibtischwechselrate, von 0,7. Jetzt muss man noch dagegen rechnen, dass dienstags, mittwochs und donnerstags mehr Leute im Büro sind als montags und freitags. Aber grundsätzlich sehen wir eine sharing ratio von 0,7. Die Deutsche Bahn ist letztes Jahr auf 0,65 gegangen. Viele Unternehmen gehen jetzt auf Wechselraten zwischen 0,8 und 0,7. Wir glauben, dass das problemlos möglich ist, wenn man das kulturell begleitet.

Es ist sogar so, dass Unternehmen zu uns kommen und sagen: wenn wir jetzt an eins zu eins festhalten, und die Leute sind dann ständig im Homeoffice, ist das Büro dann nicht zu leer? Wenn ich dann durchgehe und jeder zweite Schreibtisch ist leer, das ist ja dann auch keine coole Atmosphäre mehr. Diese Bereitschaft, jetzt darüber nachzudenken, Flächen effizient zu nutzen, ist definitiv ein Thema. Mal ganz ehrlich: wir hatten vor der Pandemie auf Platz eins in den Tagesthemen die Fridays for Future-Kids, die gegen Klimaerwärmung demonstrieren. Eigentlich muss man sich dann ja auch mal die Frage nach den Pendelbewegungen von Mitarbeitern ins Büro stellen. Leere Büroflächen, die geheizt, gekühlt werden et cetera. Im Sinne des Klimaschutzes ist es da nicht statthaft, darüber nachzudenken, ohne jetzt die Mitarbeiter damit zu übervorteilen, darüber nachzudenken, wie viel Bürofläche ich überhaupt sinnvoll brauche? Wir glauben, dass wir im Moment eine Riesenchance haben, über Suffizienz nachzudenken. Nämlich über die Frage, wieviel Büro brauchen wir eigentlich? Was ist realistisch und damit Fläche effizienter zu nutzen?

WBR: Interessanter Hinweis, die eingangs von mir zitierte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft aus Köln von Anfang Februar dieses Jahres kommt zu dem Ergebnis, dass lediglich gut 6 %  der befragten Unternehmen, immerhin 1.200, ihre Bürofläche reduzieren wollen. Sie haben da einen anderen Eindruck?

Guido Rottkämper: Auch das ist eine komplexe Frage. Auch wir stellen fest, dass die Unternehmen gerade nicht dabei sind, die Flächen zu reduzieren. Aber der Grund ist ein ganz anderer. Der hat nichts damit zu tun, dass die nicht trotzdem über Wechselraten nachdenken. Wir hatten vor der Pandemie das Problem, dass wir ein Bürowachstum hatten, was ungesund war. Wir hatten einen Leerstand, auch hier in Leipzig, der war extrem gering. Und die größte Sorge der Firmen war, für ihr Wachstum überhaupt noch Flächen zu bekommen. Und Firmen sagen, wenn ich 20% oder 30 % Arbeitsplätze einspare, dann kann ich ja auch anders herum rechnen. Ich behalte die Anzahl der Arbeitsplätze wie sie sind und kann in dieselbe Fläche 20 % mehr wachsen. Danach kann ich über eine neue Fläche nachdenken. Das ist nämlich der Grund, warum Firmen, die ja wachsen, sagen, wir nehmen das jetzt nicht zum Anlass, um Fläche zu reduzieren.

WBR: Kommen wir noch mal zum Büro als Kommunikationsort. Welche Erwartungen richten sich da an die Unternehmenskultur?

Guido Rottkämper: An der Stelle tut sich gerade fantastisch viel. Ich mache das mal an zwei Szenarien fest. Wir betreuen ein sehr großes Logistikunternehmen in Bonn. Die sind zu uns gekommen und haben gesagt, wir haben folgendes Problem. Auf den Etagen sind die Besprechungsräume ständig überbelegt, und im Erdgeschoss haben wir eine Riesenkantine. Und diese Kantine wird nur zwischen 11 und 13 Uhr benutzt. Ansonsten ist die total verwaist, und zwar genau da, wo alle Leute rein- und rauskommen. Und wir haben uns gefragt, ob man das nicht irgendwie anders hinkriegen kann. Das Ende vom Lied ist, dass sie die in einen Co-Working-Space umbauen. Nämlich in eine Fläche, die, so Ziel des Unternehmens, von morgens sieben bis abends um acht benutzt wird, um auch dort bei einem Kaffee und einem  Stück Kuchen oder was auch immer, sich auch über Arbeit zu unterhalten.

Dann wäre es ja auch ein Arbeitsort. Diese Frage, kann ich nur an einem Tisch arbeiten oder am Arbeitsplatz, oder ist nicht auch eine ruhige Ecke in einem Café oder in einem Bistro oder in einem Mitarbeiterrestaurant ein adäquater Arbeitsort? Da tut sich gerade ganz, ganz viel. Die Erweiterung der Perspektive von, ich kann nur an einem Tisch arbeiten, mit einem Bürotisch oder einem höhenverstellbaren Tisch, da tut sich eben was. In der Sichtweise großer Unternehmen. Unternehmen, die ihre Kantinen völlig neu denken, auch im Sinne eines Zusammenkommens, Zusammentreffens, nach dem Essen gleich besprechen. Und eben das Zulassen von nicht geplanter, aber um so wesentlicher Ideenfindung unter Mitarbeitern. Und auch bei kleineren Unternehmen ist es so, dass die Teeküche ein Marktplatz wird, oder wie man das auch bezeichnen mag. Das ist doch eine Riesenchance, wenn wir jetzt solche Orte machen, an denen wir die Leute aus ihren Silos rauslocken.

Das ist ja auch etwas, wo Firmen vor der Pandemie große Probleme hatten. Dieses Silodenken in Abteilungen. Da hat sich viel getan, hin zu Projektstrukturen. Der Wunsch der Unternehmen, die Barrieren zwischen einzelnen Abteilungen aufzubrechen, lässt sich natürlich über Attraktoren, wie coole Teeküchen, wo man sich trifft, und wo man sich auch besprechen kann, und wo es auch mal ein Whiteboard gibt. Oder wo man eben auch mal in einer ruhigen Minute seinen Laptop anstöpseln kann und seine Ruhe hat und unbeobachtet ist. Da tut sich viel.

Wenn man es menschheitsgeschichtlich sieht, dieser Wunsch ans Lagerfeuer oder gemeinsam am Brunnen versammeln, die gemeinsame Identität über Orte, wo man sich trifft. Da ist die Auffassung von Firmen, dass Arbeit mehr ist als nur arbeiten. Das ist eine der großen Erkenntnisse bei fast allen Firmen, mit denen wir zu tun haben.

WBR: Sind das Themen, die nur von Unternehmen kommen, die sowieso schon modern unterwegs sind, oder inwiefern hält das mittlerweile auch bei den eher klassischen Unternehmen Einzug?

Guido Rottkämper: Ja. Das Spannende ist, es hat noch nicht mal mit Altruismus zu tun. Wir haben ja sehr viel mit Personalabteilungen zu tun. Seit drei, vier Jahren spiegeln uns alle Personaler wider, dass die Bewerber seit geraumer Zeit in Bewerbungsgesprächen ihren zukünftigen Arbeitsplatz sehen wollen. Das heißt, der zu Rekrutierende, das zu rekrutierende neue Talent, will sehen, wie es sich anfühlt, dort zu arbeiten. Und da merken die konservativen Unternehmen, dass die alte Haltung von, Spaß haben kannst du Zuhause, und aufs Sofa setzen, kannst du dich auch nur zuhause, aber auf Arbeit wird gearbeitet, das ist ein Killer für Wachstum.

Weil die einfach die kreativen Köpfe gar nicht kriegen. Die sind das gewöhnt, anders zu arbeiten und auch mal im Sofa zu sitzen mit dem Laptop. Davor kann kein Unternehmen der Welt mehr seine Augen verschließen. Die Zeiten, in denen wir wie die Hühner auf der Stange am Arbeitsplatz acht Stunden verbringen und womöglich uns auch noch ausloggen mussten, die Zeiten sind definitiv vorbei.

WBR: Das passt sehr gut zu meiner letzten Frage, nämlich an den Architekten Guido Rottkämper: Wenn Sie jetzt ein Büro entwerfen würden für die nächsten Jahre, wie muss das aussehen?

Guido Rottkämper: (Lacht) Ich knüpfe mal an, an das, was ich vorhin gesagt habe. Wir merken, dass Mitarbeiter sehr unterschiedlich sind. Dass es völlig andere Mindsets gibt, und dass diese Mindsets auch sehr unterschiedlich in einzelnen Abteilungen sind. Man kann nicht mehr sagen, die Leute aus der Finanzabteilung arbeiten die ganze Zeit am Tisch oder bleiben mehr im Büro als die anderen. Wir merken, dass oft das soziale Erleben zuhause auch einen Einfluss auf die Arbeit hat, gerade im Homeoffice.

Es gibt Leute, da kommen die Kinder mittags nach Hause oder sind den ganzen Tag zuhause, und da ist man froh, wenn man seine Ruhe hat auf Arbeit. Oder man muss sich mit seinem Partner abstimmen, wie das abgeht. Da sagen wir, die Vielfalt ist wichtig. Das hat auch einen Designaspekt. Die Büros folgen heute dem Begriff des aktivitätsbasierten Designs. Also ich schaue mir die Aktivitäten an und forme dann das Büro. Ich bringe gern den Vergleich des Baumes. Wenn Sie sich einen Baum ansehen, unten in den Wurzeln leben irgendwelche Würmer, im Stamm der Specht und oben die Eichhörnchen. Also der Baum bietet eine Riesenvielfalt unterschiedlicher Lebensräume, und jede Spezies sucht sich ihren Raum.

Ich glaube, dass das auch in den Büros der Zukunft so sein wird. Wir werden nicht mehr eine Antwort finden, sondern 20 unterschiedliche. Und Ziel ist es, dass wir ein Mischungsverhältnis finden, wo jeder Mitarbeiter, egal ob er im Sofa arbeiten kann oder seinen eigenen  Schreibtisch braucht. Und der Kuli liegt immer da liegt, wo er ihn verlassen hat. Egal, wie jemand arbeiten will, er findet im Büro der Zukunft seinen idealen Platz, um sich so wohl zu fühlen, wie er das braucht.

WBR: Herzlichen Dank für das Gespräch.

Studie: Der beste Sitzplatz im Großraumbüro

Noch zwingt die Corona-Pandemie viele Beschäftigte ins Home-Office. Doch wer jetzt schon über die Rückkehr ins Büro nachdenkt, sollte dabei vielleicht einen prüfenden Blick auf den eigenen Sitzplatz werfen – zumindest, wenn sich dieser in einem Großraumbüro befindet. Wie britische Wissenschaftler nun im Fachblatt «PLOS ONE» berichten, ist für zufriedenes, produktives und teamorientiertes Arbeiten in solchen Büros unter anderem wichtig, was sich im eigenen Sichtfeld befindet.

Großraumbüros gelten seit einiger Zeit als Übel der modernen Arbeitswelt: Sie würden Beschäftigte nicht nur unkonzentriert und unzufrieden machen, sondern sogar gesundheitsschädlich sein, ergaben früherer Studien. Allerdings sei nicht jede Ecke im Großraumbüro gleich, betonen nun Forscher des britischen University College London in einer Studie: Bislang fehlten Erkenntnisse darüber, welche Bedeutung das Layout solcher Großraumbüros habe und welche Unterschiede es mit Blick auf die verschiedenen Schreibtischplätze gebe.

Das Team um die Architektin Kerstin Sailer analysierte 2018 vier Etagen der Londoner Zentrale eines internationalen Technologieunternehmens. Zum einen wurden dessen Mitarbeiter zur Zufriedenheit mit ihren Arbeitsplätzen und Besprechungsräumen befragt, zum anderen wurden spezifische Informationen über die Sitzpositionen aller Teilnehmer erhoben. Die Auswertung der Daten ergab, dass Mitarbeiter mit einer höheren Anzahl von Schreibtischen in ihrem Blickfeld ihre Arbeitsplatzumgebung weniger positiv bewerteten. Ein Grund dafür, so die Autoren der Studie, könne sein, dass die verstellte Sicht ablenkend wirke und es schwieriger sei, mit Kollegen zu sprechen, ohne andere zu stören. 

Ebenso empfanden es die Mitarbeiter als negativ, wenn ihre Schreibtische vom Hauptraum abgewandt standen und sich in ihrem Rücken viele Kollegen befanden. Hier vermuten die Wissenschaftler, dass eine solche Sitzposition zu einem Gefühl mangelnder Kontrolle über die Umgebung führen könnte. Befragte aus diesen beiden Gruppen neigten insgesamt auch dazu, Aspekte der Teamarbeit wie den Austausch von Informationen mit anderen, die Teamidentität und den Zusammenhalt negativ zu bewerten.

Im Gegensatz dazu schätzten sich jene Mitarbeiter, die dem Raum zugewandt saßen und relativ wenige Schreibtische in ihrer Sichtlinie hatten, als konzentrierter und produktiver ein und ihre Teams als besser verbunden. Ebenso positiv wirkte sich ein Fensterplatz aus: Die entsprechenden Mitarbeiter fühlten sich produktiver und konzentrierter als diejenigen, die an Wänden saßen.

Allerdings hatte die Studie nur eine Rücklaufquote von 16 Prozent. Zudem, so schränken die Autoren selbst ein, leiteten sich die Erkenntnisse lediglich aus einer einzigen Firma ab. Entsprechend seien weitere Untersuchungen nötig, um zu überprüfen, ob sich die Ergebnisse verallgemeinern ließen.

Insgesamt berichteten Mitarbeiter in kleineren Großraumbüros über eine höhere Zufriedenheit mit dem Zusammenhalt im Team, dem Austausch von Informationen mit Kollegen, der Konzentration und dem produktiven Arbeiten. Gerade in der Technologiebranche sei der Trend indes ein ganz anderer: «In den letzten Jahren haben viele große Technologieunternehmen „Kathedralen“ der Interaktion geplant oder gebaut, hauptsächlich im Silicon Valley», schreiben die Autoren. 

Solche Entwürfe würden sich mit großen, offenen Grundflächen rühmen, um Begegnungen und Zusammenarbeit zu unterstützen, die für Wissensarbeit unerlässlich seien: «Unsere Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass ein nuancierterer Ansatz in Bezug auf Offenheit vorzuziehen sein könnte.» Konkret empfehlen die Wissenschaftler die Gestaltung kleinerer und intimerer Bereiche.

Insgesamt zeichnet die Studie so ein differenzierteres Bild vom Großraumbüro, das in den vergangenen Jahren durch andere Untersuchungen eher in Verruf geraten ist: So kamen etwa Forscher der Harvard Universität 2018 zu dem Schluss, dass das Großraumbüro für die direkte Kommunikation eher schädlich denn nützlich ist. Eine australische Überblicksstudie stellte schon 2008 fest, dass die Mehrheit der Beschäftigten in Großraumbüros über Reizüberflutung, niedrigere Produktivität, geringere Zufriedenheit und einen Verlust an Privatsphäre klagen.

Und auch eine Befragung der Hochschule Luzern von 2010 mit rund 1200 Büroangestellten ergab mehr Unzufriedenheit und Ablenkung, ebenso stieg die Krankheitsrate mit der Zahl der Mitarbeiter, die in einem Büro arbeiten. Bereits damals waren die Autoren zu dem Schluss gekommen: «Im Sinne der Nachhaltigkeit wäre es deshalb wünschenswert, wenn Unternehmen in Zukunft nicht nur die Flächenkosten in Franken pro Arbeitsplatz in ihre Wirtschaftlichkeitsberechnungen einbeziehen, sondern auch die indirekten Kosten, die durch negative Umgebungsbedingungen entstehen und zu Einschränkungen der Produktivität und zu Absenzen (Abwesenheiten) führen.»

Quelle: dpa, spiegel.de, Alice Lanzke, 30.4.2021

DAK-Studie: Homeoffice-Potenzial ist fast ausgeschöpft

Mehr als ein Drittel der Beschäftigten arbeitet regelmäßig im Homeoffice – bei hoher Zufriedenheit und Produktivität

Homeoffice hat sich in der deutschen Arbeitswelt etabliert. Doch ein gewisses Homeoffice-Potenzial bleibt ungenutzt: Fast die Hälfte aller Beschäftigten könnte – von der Tätigkeit her – ganz oder zu einem großen Teil von zu Hause aus arbeiten. Tatsächlich ist aber nur jeder und jede Dritte regelmäßig im Homeoffice aktiv. Einer kleinen Minderheit fehlt die Erlaubnis ihrer Firma und neun Prozent entscheiden sich selbst bewusst dagegen. Gleichzeitig sind Arbeitszufriedenheit und Produktivität im Homeoffice hoch und in den vergangenen Monaten noch gestiegen. Das zeigt die Homeoffice-Studie der DAK-Gesundheit. Die Krankenkasse hat jetzt ein Update zu ihrer Sonderanalyse „Digitalisierung und Homeoffice in der Corona-Krise“ erstellt und dazu ergänzend auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nach ihrer Einschätzung befragt.

Mit dem Update liegt eine einmalige Längsschnittstudie zu Digitalisierung und Homeoffice vor, die den Stand vor Corona, während der ersten sowie vor der dritten Welle miteinander vergleicht. Befragt wurde im Februar 2021 eine für Deutschland repräsentative Stichprobe von über 7.000 Beschäftigten, von denen knapp 5.000 bereits bei den Erhebungen im April/Mai 2020 und im Dezember 2019 dabei warenDamit sind die Ergebnisse der DAK-Studie in hohem Maße repräsentativ. Sie zeigen auf, dass für die Mehrheit der Beschäftigten die positiven Aspekte des Homeoffice überwiegen. Die durch die Pandemie bedingte Sondersituation, etwa die gleichzeitige Betreuung von Kindern während der Arbeit zu Hause, wird als belastend empfunden, aber als Auswirkung der Krise nicht dem Homeoffice selbst angelastet. Allerdings verfügt eine Minderheit der Befragten über keine besonderen Strategien, um im Homeoffice gut arbeiten zu können. Das Risiko von Überforderung und Überlastung ist hier gegeben.   

„Homeoffice hat sich in der Arbeitswelt etabliert“
Vor der Pandemie waren nur zehn Prozent fast täglich oder zumindest mehrmals pro Woche im Homeoffice. Seit der Corona-Krise hat sich ihr Anteil mehr als verdreifacht: Im Februar 2021 sind 38 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelmäßig von zu Hause aus tätig. Damit ist das Niveau vor der dritten Pandemie-Welle in etwa so hoch wie während der ersten. „Das Homeoffice hat sich in der Arbeitswelt etabliert und kann zu einer Erfolgsgeschichte werden“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Das funktioniert – wie wir sehen – auch ohne gesetzliche Verpflichtung.“

Homeoffice-Potenzial ist fast ausgeschöpft
Von ihrem Tätigkeitsprofil her könnten 45 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach eigener Auskunft zumindest für einen großen Teil ihrer Arbeitszeit ins Homeoffice gehen. Neun Prozent entscheiden sich bewusst dagegen, drei Prozent berichten von einem Verbot ihrer Firma. Von denjenigen, die von sich aus lieber ins Büro gehen, berichten viele von zu viel Ablenkung zu Hause (28 Prozent), dem Unvermögen, sich abzugrenzen (24 Prozent) oder sich allein zu organisieren (17 Prozent). Ein Drittel hat auch mindestens ein Kind unter zwölf Jahren mit – in Corona-Zeiten – eingeschränkter Betreuung durch Kita oder Schule. „Menschen mit potenziell Homeoffice-geeigneten Jobs gehen ins Büro und verzichten aufs mobile Arbeiten, weil sie zu Hause zu wenig Platz haben und vertrauliche Unterlagen nicht einfach auf dem Sofa bearbeiten können“, sagt Andreas Storm. „Keine politisch verordnete Homeoffice-Pflicht kann an der Tatsache etwas ändern, dass sich für einen gewissen Anteil der Beschäftigten das Büro nicht einfach so ins Wohnzimmer verlagern lässt!“

Tatsächlich gibt es nur eine sehr kleine Minderheit, die allein aus eher unbedeutenden Gründen weiter in die Firma fährt. Zu solchen Gründen gehören „gern mal rauskommen“ und „Kollegen sehen“ oder auch als kompliziert empfundene Firmenregeln fürs Homeoffice. „Potenzial für zukünftig noch mehr Arbeit von zu Hause aus sehen wir allein bei einer sehr kleinen Gruppe an Beschäftigten, die unter zwei Prozent in Deutschland ausmacht“, fasst Hans-Dieter Nolting die Studienergebnisse seines IGES-Instituts zusammen.

Produktivität im Homeoffice ist hoch
Grundsätzlich leisten die Beschäftigten im Homeoffice viel. Der Anteil derer, die sich bei der Arbeit in den eigenen vier Wänden sogar als produktiver empfinden, ist im Verlauf der Corona-Krise noch gestiegen: Er lag im April/Mai 2020 bei 57 Prozent und im Februar 2021 bei 63 Prozent. Auch die Arbeitgeber halten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Hause im Großen und Ganzen für ebenso produktiv wie im Büro. In mittelständischen und großen Unternehmen ist Homeoffice deutlich verbreiteter als in Kleinbetrieben. Großbetriebe stellen ihren Beschäftigten auch mehrheitlich passende Arbeitsmittel wie Laptop, Monitor, Tastatur oder sogar Büromöbel ins Heim.

Arbeitszufriedenheit und Work-Life-Balance weiterhin hoch
Das Update der DAK-Studie zeigt, dass die Beschäftigten auch nach Monaten im Homeoffice weiterhin sehr zufrieden sind. Die Arbeitszufriedenheit ist im Februar 2021 sogar noch gestiegen. Die große Mehrheit (72 Prozent) kann zudem Beruf und Familie gut miteinander vereinbaren. Im Verlauf der Corona-Krise hat auch hier der Anteil derjenigen, die Vorteile für sich wahrnehmen, zugenommen (plus sechs Prozentpunkte).

Risiko der Über- und Fehlbelastung durch das Homeoffice
Insgesamt haben die Menschen mittlerweile viel digitale Erfahrung gesammelt und besitzen nach eigener Einschätzung mehrheitlich eine gute Kompetenz für das Homeoffice. Sie verfügen über Strategien, die ihnen helfen, gut von zu Hause aus zu arbeiten: Sie geben ihrem Arbeitstag eine klare Zeitstruktur, legen Beginn und Arbeitsende klar fest, richten sich Pausen ein und halten virtuell persönlichen Kontakt mit ihrem Team. Allerdings zeigt die Studie auch, dass eine Minderheit von vier Prozent über keine einzige der genannten Strategien verfügt. Auch wenn parallel zur Homearbeit Kinder zu betreuen sind, ist es für die Betroffenen schwerer. 44 Prozent der Beschäftigten mit Kind unter zwölf Jahren sagen, sie seien häufig abgelenkt. Und die große Mehrheit bekommt von ihrer Firma nur einen Laptop und hat deshalb daheim eine ergonomisch unzureichende Ausstattung. „Wenn Beschäftigte im Homeoffice regelmäßig über ihre Grenzen gehen, besteht langfristig das Risiko einer Über- und Fehlbelastung. Es muss für Arbeitgeber ein Warnsignal sein, wenn sich zum Beispiel die Überstunden häufen“, sagt Andreas Storm. „Hier sind auch die Arbeitgeber in der Fürsorgepflicht.“ Tatsächlich bietet bisher nur eine Minderheit der Firmen (13 Prozent) Schulungen zur Arbeit im Homeoffice an, bei denen auch gesundes Selbstmanagement Thema sein müsste.

Online-Angebot zum gesunden Arbeiten im Homeoffice
Unter dem Eindruck der Veränderungen hat die DAK-Gesundheit ihre Online-Angebote zur betrieblichen Gesundheitsförderung erweitert. Sie bietet Firmen Online-Workshops und -Schulungen für ihre Mitarbeiter an, die gesundes Arbeiten im Homeoffice unterstützen. Ein Teil der Angebote ist für Versicherte aller Krankenkassen kostenfrei zugänglich. Weitere Informationen zum Homeoffice und zur aktuellen Studie veröffentlicht die Krankenkasse unter: www.dak.de/homeoffice

Die DAK-Gesundheit ist mit rund 5,6 Millionen Versicherten die drittgrößte gesetzliche Krankenkassen Deutschlands.

Quelle: DAK, 20.4.2021

https://www.dak.de/dakonline/live/dak/bundesthemen/dak-studie-homeoffice-potenzial-ist-fast-ausgeschoepft-2447812.html#/

Testen ist Arbeitgeberpflicht

Wolfgang Brinkschulte / MDR-Wirtschaftsexperte

Die Unternehmen in Deutschland müssen ihren Beschäftigten verpflichtend Corona-Tests anbieten, wenn sie nicht im Homeoffice arbeiten. Und das ist auch in ihrem ureigensten Interesse.

Es gibt viele Unternehmen, die sich danach sehnen, den Betrieb wieder aufzunehmen. Zu lange ringen sie schon um ihre wirtschaftliche Existenz. Ganze Branchen haben die Corona-Krise und die staatlichen Maßnahmen ins Abseits gestellt. Sie wären froh, wieder zu öffnen und Kunden zu begrüßen.

Eine Testpflicht würden sie gern einkalkulieren, wäre sie der Schlüssel zu neuen Umsätzen, zum Erhalt der Firma. Da geht es dem größten Teil der Wirtschaft besser. Das ist gut. Einschränkungen in der Produktion würden absehbar enorme Schäden verursachen.

Grundsatzdebatte fragwürdig

Auch deshalb ist die Grundsatzdiskussion um eine Corona-Testpflicht in Unternehmen unverständlich. Für viele Unternehmen spielen die Ausgaben für den Kauf der Testkits keine große Rolle. Die Debatte darum bekommt eine Höhe, die weder sachgerecht noch angemessen ist. Bei der Testpflicht geht es nicht um ein staatliches Misstrauensvotum gegenüber privaten Unternehmen, sondern um den Versuch, das Infektionsgeschehen am Arbeitsplatz besser zu identifizieren.

Dass Vorbeugung Not tut, wissen wir seit Ausbruch der Krise. Hygienekonzepte sind wichtig und brauchen Ergänzung. Der aktuelle Appell der Aerosolforscher verstärkt ein weiteres Mal vorhandene Erkenntnisse. Fast ausnahmslos finden Ansteckungen in Innenräumen statt. In Wohnungen, Klassenräumen und Betreuungseinrichtungen. Und eben auch in Büros, also am Arbeitsplatz.

Unternehmen auch vorbildlich

Da können Tests wenigstens helfen, Infizierte zu erkennen. Und das machen ja rund 60 Prozent der Unternehmen bereits. Viele übrigens schon, als von einer Testpflicht noch keine gar keine Rede war. Manche fahren schon seit Monaten mit einem Testmobil von Standort zu Standort. Mit großer Resonanz und ohne Tamtam. Auf eigene Kosten, auch um Ausfallkosten zu reduzieren. Sie waren Vorreiter.

Auch wenn der Selbst- oder Schnelltest nur die bekannte Momentaufnahme ist, bringt er doch mehr Licht in ein immer noch sehr schattiges Gelände. Auch nach mehr als einem Jahr Pandemie wissen wir fast nichts konkretes zu den Infektionsquellen. Deutschland ist Bürokratieweltmeister, doch in Sachen Dokumentation Kreisklasse. Das hat nicht nur mit mangelhafter Digitalisierung zu tun.

Nachholbedarf bei Erkennung

Das RKI wiederholt in seinen Lageberichten seit Monaten den immer gleichen Satz: „Beim Großteil der Fälle ist der Infektionsort nicht bekannt.“ Und erklärt sehr allgemein insbesondere private Haushalte, zunehmend auch Kitas, Schulen und das berufliche Umfeld zu Orten von COVID-19-bedingten Ausbrüchen. In Anbetracht der Entwicklung ist auch hier dringender Handlungsbedarf und eine Testdokumentation wäre hilfreich.

Sachsen arbeitet seit vier Wochen mit einer Pflicht zu Selbsttests am Arbeitsplatz. Auch mit guten Erfahrungen. Soweit die Tests verfügbar sind. Da geht es manchem Unternehmen wie den kaufwilligen Konsumenten. Das Angebot ist volatil, es schwankt. Auch weil wir, wie bei den Masken, fast ausschließlich von Importen aus China abhängig sind. Eine Ausweitung der Produktion, insbesondere hierzulande, hinkt. Da muss die Bundesregierung nachhelfen, will sie die Testpflicht im Arbeitsalltag umfassend ermöglichen.

Tests sind Arbeitsschutz

Tests können Unternehmen am Laufen halten, den Arbeitsschutz erhöhen und Risiken begrenzen. Insofern ist eine Testpflicht auch im ureigensten Interesse der Unternehmen. Sicher entstehen Kosten. Die Rechnung der Bundesregierung, nach der 130 Euro pro Beschäftigtem für Masken und Tests bis Ende Juni anfallen, sieht auf den ersten Blick günstig aus. Doch Kosten für einige wenige Stunden Mindestlohn im Monat kann im Ernstfall höhere Kosten sparen. Personalausfall kann auch Produktionsreduzierung bedeuten. Und der Aufwand kann steuerlich geltend gemacht werden.

Es macht wenig Sinn, die Debatte um eine Testpflicht in Unternehmen so zu führen wie die um einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice. In der Frage haben sich die Wirtschaftsverbände bisher durchgesetzt. Doch Infektionsschutz braucht ganz offenbar mehr Regeln mit Durchschlagskraft.

Der Präsident des Verbandes der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA), Karl Haeusgen, hat Recht, wenn er zur Entscheidung der Bundesregierung heute sagt, dass die bisherige Selbstverpflichtung in vielen Unternehmen künftig an der Praxis nicht viel ändere. Die Kosten für die Tests betrachte er als Teil des gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen in der Corona-Krise. So kann es gehen.

zuerst erschienen bei mdr.de am 13. April 2021