Wolfgang Brinkschulte / MDR-Wirtschaftsexperte

Die Unternehmen in Deutschland müssen ihren Beschäftigten verpflichtend Corona-Tests anbieten, wenn sie nicht im Homeoffice arbeiten. Und das ist auch in ihrem ureigensten Interesse.

Es gibt viele Unternehmen, die sich danach sehnen, den Betrieb wieder aufzunehmen. Zu lange ringen sie schon um ihre wirtschaftliche Existenz. Ganze Branchen haben die Corona-Krise und die staatlichen Maßnahmen ins Abseits gestellt. Sie wären froh, wieder zu öffnen und Kunden zu begrüßen.

Eine Testpflicht würden sie gern einkalkulieren, wäre sie der Schlüssel zu neuen Umsätzen, zum Erhalt der Firma. Da geht es dem größten Teil der Wirtschaft besser. Das ist gut. Einschränkungen in der Produktion würden absehbar enorme Schäden verursachen.

Grundsatzdebatte fragwürdig

Auch deshalb ist die Grundsatzdiskussion um eine Corona-Testpflicht in Unternehmen unverständlich. Für viele Unternehmen spielen die Ausgaben für den Kauf der Testkits keine große Rolle. Die Debatte darum bekommt eine Höhe, die weder sachgerecht noch angemessen ist. Bei der Testpflicht geht es nicht um ein staatliches Misstrauensvotum gegenüber privaten Unternehmen, sondern um den Versuch, das Infektionsgeschehen am Arbeitsplatz besser zu identifizieren.

Dass Vorbeugung Not tut, wissen wir seit Ausbruch der Krise. Hygienekonzepte sind wichtig und brauchen Ergänzung. Der aktuelle Appell der Aerosolforscher verstärkt ein weiteres Mal vorhandene Erkenntnisse. Fast ausnahmslos finden Ansteckungen in Innenräumen statt. In Wohnungen, Klassenräumen und Betreuungseinrichtungen. Und eben auch in Büros, also am Arbeitsplatz.

Unternehmen auch vorbildlich

Da können Tests wenigstens helfen, Infizierte zu erkennen. Und das machen ja rund 60 Prozent der Unternehmen bereits. Viele übrigens schon, als von einer Testpflicht noch keine gar keine Rede war. Manche fahren schon seit Monaten mit einem Testmobil von Standort zu Standort. Mit großer Resonanz und ohne Tamtam. Auf eigene Kosten, auch um Ausfallkosten zu reduzieren. Sie waren Vorreiter.

Auch wenn der Selbst- oder Schnelltest nur die bekannte Momentaufnahme ist, bringt er doch mehr Licht in ein immer noch sehr schattiges Gelände. Auch nach mehr als einem Jahr Pandemie wissen wir fast nichts konkretes zu den Infektionsquellen. Deutschland ist Bürokratieweltmeister, doch in Sachen Dokumentation Kreisklasse. Das hat nicht nur mit mangelhafter Digitalisierung zu tun.

Nachholbedarf bei Erkennung

Das RKI wiederholt in seinen Lageberichten seit Monaten den immer gleichen Satz: „Beim Großteil der Fälle ist der Infektionsort nicht bekannt.“ Und erklärt sehr allgemein insbesondere private Haushalte, zunehmend auch Kitas, Schulen und das berufliche Umfeld zu Orten von COVID-19-bedingten Ausbrüchen. In Anbetracht der Entwicklung ist auch hier dringender Handlungsbedarf und eine Testdokumentation wäre hilfreich.

Sachsen arbeitet seit vier Wochen mit einer Pflicht zu Selbsttests am Arbeitsplatz. Auch mit guten Erfahrungen. Soweit die Tests verfügbar sind. Da geht es manchem Unternehmen wie den kaufwilligen Konsumenten. Das Angebot ist volatil, es schwankt. Auch weil wir, wie bei den Masken, fast ausschließlich von Importen aus China abhängig sind. Eine Ausweitung der Produktion, insbesondere hierzulande, hinkt. Da muss die Bundesregierung nachhelfen, will sie die Testpflicht im Arbeitsalltag umfassend ermöglichen.

Tests sind Arbeitsschutz

Tests können Unternehmen am Laufen halten, den Arbeitsschutz erhöhen und Risiken begrenzen. Insofern ist eine Testpflicht auch im ureigensten Interesse der Unternehmen. Sicher entstehen Kosten. Die Rechnung der Bundesregierung, nach der 130 Euro pro Beschäftigtem für Masken und Tests bis Ende Juni anfallen, sieht auf den ersten Blick günstig aus. Doch Kosten für einige wenige Stunden Mindestlohn im Monat kann im Ernstfall höhere Kosten sparen. Personalausfall kann auch Produktionsreduzierung bedeuten. Und der Aufwand kann steuerlich geltend gemacht werden.

Es macht wenig Sinn, die Debatte um eine Testpflicht in Unternehmen so zu führen wie die um einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice. In der Frage haben sich die Wirtschaftsverbände bisher durchgesetzt. Doch Infektionsschutz braucht ganz offenbar mehr Regeln mit Durchschlagskraft.

Der Präsident des Verbandes der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA), Karl Haeusgen, hat Recht, wenn er zur Entscheidung der Bundesregierung heute sagt, dass die bisherige Selbstverpflichtung in vielen Unternehmen künftig an der Praxis nicht viel ändere. Die Kosten für die Tests betrachte er als Teil des gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen in der Corona-Krise. So kann es gehen.

zuerst erschienen bei mdr.de am 13. April 2021