von Wolfgang Brinkschulte

Das Home-Office-Gesetz von Bundesarbeitsminister Heil (SPD) ist vorerst gescheitert. Das sollte einen Rechtsanspruch für Arbeitnehmer gewährleisten. Doch noch wichtiger ist eine veränderte Unternehmenskultur.

Es ist nicht sehr lange her, da war Deutschland weit abgehängt. Noch Anfang dieses Jahres galten viele Unternehmen als Home-Office-Muffel. Nach einer Analyse des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung arbeiteten in den letzten Jahren nur etwa zehn Prozent der Arbeitnehmer mobil, zuhause oder unterwegs. In den Niederlanden, Schweden oder Dänemark waren es über 30 Prozent.

Das hat sich zwangsweise geändert. In Pandemiezeiten schnellte der Anteil in manchen Unternehmen auf über 80 Prozent hoch. Dort, wo es geht, arbeitet die Mehrheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am heimischen Schreibtisch. Nicht immer freiwillig, sondern unter dem Druck der Krise. Ausnahmezustand.

Rechtsanspruch für alle, zwei Tage im Monat?

Bundesarbeitsminister Heil von der SPD mag das für den richtigen Zeitpunkt gehalten haben, ein Home-Office-Gesetz vorzulegen. Ein Rechtsanspruch für alle, zwei Tage im Monat arbeiten fern der Firma. Nun ist Heil damit vorerst gescheitert. Das war vorhersehbar, und dennoch hat er recht. In der Sache.

Wie ist die Lage? Millionen von Mitarbeitern werden derzeit nach Hause geschickt, manche Büros wirken wie leergefegt. Die, die ihr Tagwerk außerhalb verrichten können, meiden Kontakte. An das, was für den privaten Bereich gilt, halten sich auch Unternehmen, auf ihre Art. Doch die Krise ist kein Maßstab.

Mobiles Arbeiten in vielen Unternehmen nun Realität

Arbeiten im Home-Office ist schon lange keine Errungenschaft von fortschrittlichen Sozialpolitikern. Mobiles Arbeiten ist Element einer Unternehmenskultur, die weder neu noch revolutionär ist. Sie ist im Gegenteil für immer mehr Unternehmen ein Markterfordernis, das doch in vielen Unternehmen erst jetzt in der Krise angekommen ist. Und prima funktioniert.

Familie und Arbeit, Persönliches und Beruf unter einen Nenner bringen, das ist das Ziel eines Home-Office-Gesetzes, und in vielen Unternehmen und Institutionen längst Realität. Die New-Work-Bewegung war Inspirator, und die Marktgesetze haben ihr Übriges getan. Wer als Unternehmer gute Fachkräfte wollte, für den war mobiles Arbeiten kaum der Rede wert. Eine Selbstverständlichkeit.

Nicht für alle Berufe möglich

Klar, dass das weder für den Schreiner, den Bäcker oder den Klempner funktioniert. Doch auch nicht jeder arbeitet am Wochenende oder in der Nacht, wie die systemrelevanten Intensivpfleger, die OP-Schwestern oder die Notärzte.

Ob die Politik dem gewachsenen Bedürfnis nach Home Office, das in vielen Unternehmen seit Langem zur Unternehmenskultur gehört, gerecht werden kann, bleibt jenseits des parteipolitischen Streits zweifelhaft.

Betriebsvereinbarungen zu Home Office fehlen oft (noch)

An den Niederlanden könnte sich die Politik hierzulande ein Beispiel nehmen. Ein Gesetz ermöglicht dort seit Jahren Home Office. Ohne zwingenden Anspruch für den Arbeitnehmer, aber mit intensiver Beratung und Begründungspflicht bei Ablehnung. Nun sind bei uns weiter die Betriebs- und Personalräte gefordert. Denn Hauptverhinderer der Arbeit über Distanz sind fehlende Betriebsvereinbarungen, wie das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in einer kürzlich vorgelegten Untersuchung dargelegt hat. Bei knapp 58 Prozent der befragten Unternehmen fehle diese. Viel Handlungsbedarf.

Home Office ist eine Frage zur Gestaltung der Arbeitswelt von heute und morgen. Und eine Frage, wie wir leben wollen. Da kommt die Themenwoche der ARD gerade recht.

Zuerst erschienen bei mdr.de am 16. November 2020